Wagnerstraße 1

Entstehung und Umgebung

Die Wagnerstraße 1 wird als Hauptgebäude einer baugleichen Dreier-Gruppe bezeichnet, bestehend aus den Häusern Wagnerstraße 1, Siegesstraße 18 (denkmalgeschützt) und Wagnerstraße 1a. Die Baupläne stammen aus dem Jahr 1895. Architekt des baugeschichtlichen Dreier-Ensembles ist Heinrich Witzel.

Alle drei Häuser sind harmonisch aufeinander abgestimmt in Aufbau und Proportion, der Fassadengliederung und Entsprechungen, wie beispielsweise dem frontseitig gespiegelten Mauervorsprung bei den Geschwisterhäusern, dem Rhythmus der Fensteranordnung, sehr ähnlichen Treppenhäusern, gemeinsamen Hofmauern und sämtlichen Innendetails. Wagnerstraße 1 und die denkmalgeschützte Siegesstraße 18 komplettieren sich gegenseitig und sind baugleiche Geschwistergebäude mit aufeinander abgestimmten Details. Alle drei Häuser, Wagnerstraße 1, 1a und die Siegesstraße 18, stehen in unmittelbarem Dialog zueinander.

Neben der Aufnahme in das Ensemble Alt-Schwabing kann man die Wagnerstraße 1 mit ihrer Größe als Hauptgebäude, ihrer formgebenden Gestaltung durch Zwerchgiebel und ihrer ortsprägenden Ecklage als Säule des baugeschichtlichen Dreier-Ensembles von Heinrich Witzel bezeichnen. Die Hinterhöfe der drei Gebäude sind mit gemeinsamen und baugleichen, historischen Hofmauern miteinander verwoben und weisen ebenfalls Ensemblecharakter auf. Die Wagnerstraße 1 ist Bindeglied der historischen baugleichen Dreier-Gruppe und kann daher nicht isoliert betrachtet werden.

Ein Abbruch würde bedeuten, dass das historische Dreier-Ensemble sein Hauptgebäude verliert, die denkmalgeschützte Siegesstraße 18 würde ihre Entsprechungen und gespiegelten Ergänzungen verlieren und asymmetrisch  zurückbleiben. Ein Abriss würde das harmonische Zusammenspiel aller drei Häuser unwiederbringlich zerstören. Auch das diagonal gegenüberliegende denkmalgeschützte Gebäudepaar Siegesstraße 19 und 21 würde seine zeitgenössische Entsprechung durch das fehlende baugeschichtliche Dreier-Ensemble endgültig verlieren.

Besonderheiten

Durch das jahrelange Ausbleiben von Renovierungsarbeiten präsentiert sich der Altbau Wagnerstraße 1 bei oberflächlicher Betrachtung in einem renovierungsbedürftigen Zustand. Treppen und Böden machen hingegen einen soliden Eindruck. In den Wohnungen befindet sich großteils sehr schönes originales Eichenfischgrätparkett, zum Teil mit besonders großen Stäben (10,5cm x70cm). Das historische Treppenhaus besitzt das originale, verzierte Treppengeländer mit einem vollkommen intakten Eichenhandlauf und gut erhaltener Eichentreppe, die keinen Hängeeffekt zeigt. Ebenso ist in den Zwischengeschoßen originales Fischgrätparkett verlegt.

Die Hofeinfahrt wird noch heute vom originalen und aufwendig verzierten Hoftor geschmückt, das noch mit Bünden ohne Schweißung hergestellt ist. In seiner Ausführung ist das Tor einzigartig in der Wagnerstraße und umliegenden Nachbarschaft und wurde von Fachleuten als künstlerisch wertvoll bezeichnet. Bei Abbruch würde das schöne Hoftor durch eine klotzige Garageneinfahrt ersetzt werden. Die typischen Jahrhundertwende-Eisenbalkone sind, wenn auch sanierungsbedürftig, im Original vorhanden, und auch die verzierten schmiedeeisernen Fenstervergitterungen für das Erdgeschoß und zwei historische Türoberlichten sind existent. Somit sind sämtliche dekorativen, schmiedeeisernen Elemente des Gebäudes im Original erhalten. Im Keller trifft man auf einen imposanten Gewölbekeller, der einen gut durchlüfteten und trockenen Eindruck vermittelt.

Besonders hervorzuheben ist der Zwerchgiebel mit seinen zwei Rundbogenfenstern bei Wagnerstraße 1, der im Straßenbild einen unverwechselbaren Akzent setzt und einzigartig im Straßenbild der Siegesstraße und Wagnerstraße an einem Eckgebäude anzutreffen ist.

Seit über 40 Jahren ist die Wagnerstraße 1 auch die Heimat der Live-Musik-Kneipe Schwabinger Podium, eine der kulturellen Institutionen in Alt-Schwabing. Die Wirtin des familiengeführten Unternehmens, Renate Vogel, erhielt 2005 für ihre Arbeit den Preis für Kunst und Kultur von der Stadt München verliehen.

Sachstand

Die Wagnerstraße 1 befindet sich seit 2014 im Besitz des ehemaligen Vorstands für Finanzen der BMW GROUP, Dr. Friedrich Eichiner. Der neue Eigentümer möchte den historischen Altbau unter Ensembleschutz abreißen und durch einen Neubau ersetzen.

Unser Appell an den Eigentümer, Behörden und Politiker

In der Vergangenheit hat das Landesamt für Denkmalpflege die Entwicklung in der Siegesstraße beklagt. Die Gebäudegruppe Siegesstraße 18, Wagnerstraße 1 und Wagnerstraße 1a steht baugeschichtlich nachweislich und eindeutig miteinander in Beziehung. Nun besteht die Möglichkeit, ein baugeschichtliches intaktes Ensemble im Stadtbild zu bewahren. Fachleute beurteilen den Altbau in der Wagnerstraße 1 sowohl von der Bausubstanz als auch unter historischen Aspekten als erhaltenswert und bezeichnen die Geschwisterhäuser Siegesstraße 18 und Wagnerstraße 1 vom Ursprung als „Stadtschlösschen“. Auch das Landesamt für Denkmalpflege sieht die Wagnerstraße 1 als erhaltungswürdig und sanierfähig.

Durch den Abriss von Wagnerstraße 1 würde ein ortsprägendes Eckgebäude in einem intakten historischen Ensemble unwiederbringlich verloren gehen, langjährige Mieter würden heimatlos und auch das Schwabinger Podium müsste seine Türen schließen.  

Das Gebäude Wagnerstraße 1 deckt sowohl den historischen als auch den kulturellen und sozialen Aspekt eines typischen Schwabinger Wohnhauses in dem Viertel ab und könnte renoviert zum Vorzeigeprojekt in der Umgebung avancieren.

Daher fordern wir den Eigentümer unter den vorliegenden historischen, kulturellen und sozialen Aspekten auf, durch nachhaltige, intelligente Sanierung des Gebäudes Wagnerstraße 1 unter Berücksichtigung der historischen Komponenten seinen Beitrag für den Erhalt unseres historischen Stadtbildes und seiner Kulturstätten zu leisten.

Aktuelles

Anfang 2016 hat das Landesamt für Denkmalpflege das Ensemble Alt-Schwabing unter Anerkennung des Ensembleschutzes für die Wagnerstraße erweitert. Damit steht die Wagnerstraße 1 unter Ensembleschutz. Als formgebendes und ortsprägendes Eckgebäude und Hauptgebäude eines baugeschichtlichen Dreier-Ensembles kann man der Wagnerstraße 1 mit ihrem Zwerchgiebel ensemblekonstituierenden Charakter beimessen.

Trotz des Ensembleschutzes hält der Eigentümer, Dr. Friedrich Eichiner, weiterhin an seinen Abrissbestrebungen fest und legt hierzu ein Gutachten vor.

Die intakten, genagelten, historischen Eichenfischgrätparkettböden finden in diesem Gutachten keine Würdigung. Rohrleitungen – obgleich erst jüngst Heizungsverrohrungen ausgetauscht worden sind – und Elektrik werden für Unwirtschaftlichkeitsberechnungen herangezogen. Einem Eigentümer kann zugemutet werden, solche Ausstattungen alle 25 bis 30 Jahre zu erneuern. Kosten und Folgekosten von unterlassenem Bauunterhalt durch den Eigentümer und seinen Rechtsvorgängern sind je nach den Umständen bei einer Wirtschaftlichkeitsberechnung nach neuer Rechtsprechung abzuziehen. Auch kürzlich durch Fahrlässigkeit erzeugte Wasserschäden (tropfende Wasserhähne mit darunter gestellten Eimern) sind haftungs- und versicherungsrechtlich zu klären und sollten sich nicht in Wirtschaftlichkeitsberechnungen niederschlagen.

Fragwürdig erscheint uns auch, ob einzelne Proben an offensichtlich schadhaften Stellen, wie beispielsweise  Altwasserschäden in zwei Badezimmern, die Umgebung einer undichten Stelle im  Dachstuhl oder zwei falsch verputzte Kellerabteile, repräsentativ für die Bausubstanz des gesamten Gebäudes sind. Böden und Decken der bewohnten Wohnungen machen einen geraden und soliden Eindruck, was für die Solidität des Gebälks spricht. Die gesamten Holzbalkendecken durch neue Decken auszutauschen, das erscheint auch uns in der Tat unwirtschaftlich und vollkommen unverhältnismäßig.

Auch die Instandsetzung des Schwabinger Podiums durch die Wirtin selbst, wie neue Elektrik, Schallschutzdecken nach modernen Standards mit Sylomer und denkmalverträglichen hochwertigen Holz-Isolierglas-Schallschutzfenster, sowie durch die Vorbesitzerin neue Klingel-/ Sprechanlage im ganzen Haus und weiteren technischen Neuerungen, werden mit Sicherheit bei den Sanierungskosten im Gutachten nicht ausgeklammert. Die Gaststätte hat in der Vergangenheit umfangreiche Umbaumaßnahmen erfahren, u.a. Einbau von Stahlunterzügen, die statisch geprüft und genehmigt wurden. Das zeigt, dass umfangreiche statisch relevante Baumaßnahmen in dem bestehenden Tragwerk des Gebäudes offensichtlich möglich sind. Die erfolgreichen Sanierungsmaßnahmen der praktisch baugleichen Geschwistergebäude Wagnerstraße 1a im Jahr 2009 und Siegesstraße 18 im Jahr 1992 zeigen, dass entsprechende Sanierungsmaßnahmen bei weitgehendem Erhalt des Bestandes technisch machbar und zudem wirtschaftlich sein können.

Hinzuzufügen wäre auch, dass Herr Dr. Eichiner das Haus zu einem maßgeblich günstigeren Preis erworben hat, als wenn er einen sanierten Altbau gekauft hätte.

Wir sind der Meinung, dass ein Gutachten, in dem z.B. ein originales Eichen-Fischgrätparkett in gutem Zustand durch Kunststoffböden ersetzt werden soll, in keiner Weise geeignet ist, der historischen Bedeutung des Gebäudes und dessen Erhaltungswürdigkeit gerecht zu werden. Ein intelligent sanierter Altbau ist nachhaltig wertbeständig und in der Regel einem Neubau in Werterhalt und Lebensdauer deutlich überlegen.

Wir würden uns freuen und sind jederzeit gerne bereit, mit dem Eigentümer im Beisein von denkmalerfahrenen Fachleuten in Dialog zu treten.

Neuigkeiten

Die Sprecherin der Mietergemeinschaft Wagnerstraße 1 hat ein Gutachten durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter beauftragt. Zusammengefasst aus den Ergebnissen der  Begutachtung und aktueller Rechtsprechung können wir folgendes Ergebnis festhalten:

Es ist klar erkennbar, dass der Eigentümer der Wagnerstraße 1, Herr Dr. Eichiner, seinen laufenden Instandhaltungspflichten nicht nachkommt.

Der Eigentümer legt in seinem Gutachten eine Vergleichsberechnung zwischen den Kosten eines Abbruchs sowie eines Neubaus einerseits und den Kosten einer Sanierung mit entsprechendem Ausbau andererseits (Baukostenvergleichsberechnung) vor und rechtfertigt damit die Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung. Laut BayVGH ist eine Gegenüberstellung in der vorgelegten Form für die Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit nicht geeignet. 

Wenige untersuchte, offensichtlich schadhafte Stellen werden als repräsentativ für den gesamten Gebäudezustand und als Rechtfertigung für eine extreme Entkernungsvariante, die naturgemäß teurer ist als ein Neubau, herangezogen. Die statischen Probleme, durch den Gutachter des Eigentümers vorgetragen, die aus der umfassenden Entkernung angeblich entstehen sollen, sind in dem Gutachten des Eigentümers weder durch hinreichende Untersuchungen noch baustatisch belegt.

Das Gutachten des Eigentümers weist gemäß Ausführungen des Gutachters der Mieter etliche Fehler auf, u.a. auch angegebene Probeöffnungen, die gar nicht erfolgt sind.

Ein Großteil der Schäden ist auf unterlassenen Bauunterhalt zurückzuführen. Dieser ist neben weiteren Positionen gem. BayVGH bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen von den zu erzielenden Erträgen zu subtrahieren und begründet somit keine wirtschaftliche Unzumutbarkeit.

Eine behutsame Sanierung, die in dem Gutachten der Mieter technisch als voraussichtlich ebenso möglich in Aussicht gestellt wird, wird von dem Eigentümer gar nicht erst in Erwägung gezogen.

Die BI Pro-Schwabing steht dem Eigentümer weiterhin, gerne im Beisein von Fachleuten, für Gespräche zur Verfügung.